Bild einer Wissenschaftlerin - Porträt Klarissa Niedermeier

Dr.-Ing. Niedermeier arbeitet an Hochtemperatur-Wärmespeichern auf der Basis von Flüssigmetallen für Temperaturen bis 1000 °C KIT
Dr.-Ing. Klarissa Niedermeier arbeitet an Hochtemperatur-Wärmespeichern auf der Basis von Flüssigmetallen
Schema eines Hochtemperatur-Wärmespeichers auf Flüssigmetallbasis
Schematische Darstellung eines flüssigmetall-basierten Wärmespeichers in einem Strom-Wärme-Strom-Prozess
Dr. Niedermeier und ihre Kollegin konstruieren derzeit einen Demonstrator mit einer Kapazität von 100 Kilowattstunden. In der Industrie sollen künftig thermische Speicher auf Flüssigmetallbasis im Megawattstundenmaßstab möglich sein.  KIT
Derzeit konstruiert das KALLA-Team einen Demonstrator mit einer thermischen Kapazität von 100 Kilowattstunden.
• Einen flüssigmetall-basierten Speicher im Labormaßstab haben Dr.-Ing. Klarissa Niedermeier und ihre Kollegin M.Sc. Franziska Müller-Trefzer bereits am KALLA aufgebaut und betrieben. KIT
Einen flüssigmetall-basierten Speicher im Labormaßstab haben Dr.-Ing. Klarissa Niedermeier und ihre Kollegin M.Sc. Franziska Müller-Trefzer bereits am KALLA aufgebaut und betrieben.

Die Metallbändigerin

Lange Leitungen, dicke Rohre, kleinere und größere Tanks, fest verpackt in Isoliermaterial und sorgfältig umhüllt mit Aluminiumfolie: Auf den ersten Blick wirkt das Flüssigmetalllabor KALLA am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nüchtern und zugleich geheimnisvoll. In den Rohren und Tanks zirkulieren Metalle bei sehr hohen Temperaturen. Forschende befassen sich mit diesen Flüssigmetallen, die vielversprechende Wärmeübertragungseigenschaften aufweisen, hinsichtlich verschiedener anspruchsvoller Anwendungen in Industrie und Energietechnologie. „Das KALLA besteht seit mehr als 20 Jahren und ist einzigartig in Europa“, sagt Dr.-Ing. Klarissa Niedermeier. „Ich finde es toll, in einem Umfeld zu arbeiten, in dem schon so viel Know-how aufgebaut worden ist und in dem ich neue Ideen einbringen kann.“ Den nachhaltigen Umbau der Energieversorgung voranzubringen, ist das Anliegen der Verfahrenstechnikingenieurin, die am Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit (ITES) des KIT forscht und dem MTET Subtopic „Thermal Energy Storage“, an dem vier Institute des KIT mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten von Material- bis Komponentenentwicklung beteiligt sind, als Sprecherin vorsteht.

Thermische Speicher verbessern Nutzung erneuerbarer Energien

Klarissa Niedermeier erforscht Möglichkeiten der thermischen Energiespeicherung mit Flüssigmetallen. Warum thermische Energiespeicherung? Windkraft- und Photovoltaikanlagen erzeugen Strom, dessen Dargebot je nach Tageszeit, Jahreszeit und Wetterbedingungen schwankt. Energiespeicher tragen dazu bei, trotz dieser Fluktuationen eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten. Das Konzept thermischer Speicher besteht darin, die Energie in Form von Wärme zu speichern, wenn sie verfügbar ist, und wieder bereitzustellen, wenn sie gebraucht wird. Dazu wird beispielsweise Strom in Wärme gewandelt und diese dann direkt genutzt, oder die Wärme wird über eine Rückverstromung wieder in elektrische Energie gewandelt. Auch Abwärme aus energieintensiven Industrieprozessen, wie der Stahl- oder der Zementproduktion, lässt sich speichern und wiederverwenden. Thermische Hochtemperaturspeicher besitzen das Potenzial, Langlebigkeit und günstige Kosten mit hoher Effizienz zu verbinden. Allerdings kommt es auf die eingesetzten Materialien und die Integration der Speicher ins Gesamtsystem an. Konventionelle thermische Speicher, wie sie beispielsweise in solarthermischen Kraftwerken installiert sind, basieren auf einer Salzschmelze. Sie lassen sich jedoch nur bei Temperaturen zwischen 290 und 565 Grad Celsius betreiben. „Flüssigmetalle ermöglichen grundsätzlich deutlich höhere Temperaturen und einen breiteren Temperaturbereich – zwischen 150 und 1000 Grad Celsius, je nach eingesetztem Flüssigmetall“, erklärt Dr.-Ing. Niedermeier. Daher kommen thermische Speicher auf Flüssigmetallbasis auch für die Energieversorgung industrieller Hochtemperaturprozesse aus erneuerbaren Quellen in Betracht.

Im Labor zirkuliert flüssiges Metall bei 700 Grad Celsius

Im Rahmen des Projekts LIMELISA, an dem das KIT, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der Pumpen- und Armaturenhersteller KSB beteiligt sind, erforscht das Team um Dr.-Ing. Klarissa Niedermeier Schlüsselkomponenten für thermische Speicher in einem bis zu 700 Grad Celsius heißen Bleikreislauf. Da Blei korrosiv wirkt, bedarf es spezieller Materialien für Pumpen und Armaturen, aber auch für die Rohrleitungen und die Messtechnik des Teststands. Dafür werden die Materialien in LIMELISA zunächst in ruhendem Flüssigmetall am Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik (IHM) untersucht und ausgewählt. Anschließend werden dann komplette Komponenten im Betrieb am KALLA getestet.

Der flüssigmetallbasierte Speicher, für den die Forscherinnen und Forscher diese Schlüsselkomponenten erproben, ist ein sogenannter Schichtenspeicher. Solche Speicher benötigen nur einen Tank und gelten daher als besonders wirtschaftlich. Im oberen Bereich des Tanks befindet sich das heiße, im unteren das kalte Fluid. Eine Sprungschicht, die sogenannte Thermokline, trennt die beiden Zonen. Da Flüssigmetalle sich durch eine hohe Wärmeleitfähigkeit kennzeichnen, gilt es zu verhindern, dass sich die Thermokline ausbreitet und es zu einem Temperaturausgleich kommt. Dazu dient eine Partikelschüttung im gesamten Tank. Die Forschenden um Klarissa Niedermeier setzen für die Schüttung Keramikkügelchen ein. „Die Partikel sollten eine hohe Wärmespeicherfähigkeit aufweisen. Dies erhöht die Speicherdichte und ermöglicht eine kompakte Bauweise“, erklärt die Wissenschaftlerin. Zudem muss die Schüttung mit dem Wärmeträgerfluid kompatibel sein. Einen Speicher im Labormaßstab hat das Team bereits im KALLA aufgebaut und betrieben. Ein Demonstrator mit einer Kapazität von 100 Kilowattstunden wird derzeit konstruiert. In der Industrie sollen künftig thermische Speicher auf Flüssigmetallbasis im Megawattstundenmaßstab möglich sein. Vorstellbar ist auch, mehrere solche Speicher nebeneinander zu betreiben. Klarissa Niedermeier: „Es ist faszinierend zu erleben, wie etwas, das wir ursprünglich theoretisch berechnet haben, in der Praxis nach und nach Wirklichkeit wird.“

Text: Dr. Sibylle Orgeldinger